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6. Material-Präferenz im Vergleich mit Yves Klein
 
6.2. Vergleich der Monogold-Tafeln Kleins mit den goldenen Bodenfeldern Angerbauers
 
"Für mich muß ein Gemälde immer große Freude ausstrahlen, eine starke, leuchtende, ekstatische Fröhlichkeit, die direkt zur Immaterialität der Oberfläche der Leinwand führt."(136) Dieser Gedanke Kleins führt im Vergleich zu Angerbauers Werk zu einem ersten inhaltlichen Unterschied.
 
Die Monogold-Tafeln (Abb. 48) Kleins und die goldenen Bodenfelder Angerbauers sehen nur auf den ersten Blick gleich aus, zumal bei beiden Künstlern als Material die 8 cm x 8 cm großen gleichen Goldblättchen verwendet werden. Sind jedoch Angerbauers goldene Bodenfelder einmal mit "Füßen getreten" und der beabsichtigte Gestaltungsprozeß abgeschlossen, so unterscheiden sich die Monogold-Tafeln und Bodenfelder grundsätzlich. Ein eindeutiger Vergleich könnte nur in einer gleichen Ausgangsposition stattfinden, die hier durch die prozeßorientierte Handlung Angerbauers nicht gegeben ist. Eine Gemeinsamkeit findet sich in der Wirkungsweise beider Werke, indem sie als Meditations-Tafeln bzw. Meditationsfelder angesehen werden können. Bei längerer Betrachtung wird der Rezipient durch die Darstellungsweise in beiden Werken zur "Ruhe" finden.
 
Während Klein seiner Monochromie treu bleibt und der Bildinhalt aus einer reinen monochromen "Atmosphäre" besteht (Abb. 48), so finden die Bildinhalte bei Angerbauer in einem geisteswissenschaftlichen und kunsthistorischen Kontext zueinander, den es aufzudecken gilt.
 
Kleins Idee ist, die immaterielle und malerische Sensibilität aufzuspüren. Seine Monogold-Tafeln können als "Felder der Sensibilität" interpretiert werden, mit denen er "die Qualität des Goldes als zeitloses und universelles Zeichen von Reinheit und Fülle vermitteln möchte, dessen Wert materielle Gesichtspunkte transzendiert." Klein stellt von Anbeginn in ergreifender goldener "Atmosphäre" die Reinheit dieses Materials dar, während bei Angerbauer das Gold zu Beginn den unreinen Aspekt in sich trägt und erst noch einen Prozeß durchlaufen muß, damit es zur vollkommenen Reinheit gelangt.
 
"Es erscheint paradox, daß Klein zur Veranschaulichung des Immateriellen Blattgold verwendet", während das Gold unter dem materiellen Aspekt als eigentliches Synonym für Geld und Macht betrachtet wird. In gewisser Weise scheint es paradox zu sein, aber das macht die Eigenschaft dieses Metalls geradezu aus, wie immer wieder mit den ambivalenten Erscheinungsweisen des Goldes gearbeitet wird.
 
Klein verzichtet bei seinen Monochromien auf den Pinselduktus, um dem Ausdruck des Persönlichen zu entkommen. Einziges malerisches Element ist die reine Farbe, die mit einer Malerrolle aufgetragen wird, so daß keine Spuren sichtbar sind, die für Angerbauer dagegen so wesentlich und von so großer Bedeutung sind. Sein Werk könnte ohne diese Spuren gar nicht existieren. Klein entgeht auch bei seinen Monogold-Tafeln dem Ausdruck des Persönlichen durch Auftragen der Goldblättchen, die im künstlerischen Gestaltungsmoment ebenfalls keine Spuren hinterlassen. Angerbauer dagegen durchbricht anschließend diesen Prozeß, indem er von den Menschen die Spuren in sein Werk aufnimmt.
 
Klein sah in seinen monochromen Bildern ohne strukturierende Elemente die Farbe als leuchtendes Feld, als reales und abstraktes Medium des Raumes, die Sensibilität des dimensionslosen Raumes, die den Menschen und seine Umgebung durchdringt. (193) Linien, Konturen, Formen und andere künstlerische Kompositionen würden das Bild geradezu zerschneiden und der Betrachter würde abgelenkt werden, sich der Wirkung und der Kraft der reinen Farbe hinzugeben. Die Reduzierung auf die reine Farbe symbolisiert außerdem die Entwicklung einer Reinigung durch Abwerfen der in der Vergangenheit benützten künstlerischen Ausdrucksformen. Bei Klein drückt sich dieser Prozeß in der Erweiterung des menschlichen Erfahrungsraums aus. (140)
 
 
 
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(136) Klein, Yves 1994b (zit. in Stich, Sidra 1994, S. 77)
(137) Klein, Yves 1994c (zit. in Stich, Sidra 1994, S. 193)
(138) Klein, Yves 1994c (zit. in Stich, Sidra 1994, S. 194)
(139) Klein, Yves 1994b (zit. in Stich, Sidra 1994, S. 66)
(140) Kuhn, Anette 1991, S. 63